Dieselben Fragen stellt man auch im Ausland, wochin jetzt oftmals
unsere Landsleute fahren. Offensichtlich existieren bei uns jetzt
Touristikunternehmen, von Zeit zu Zeit sind interessante Bьcher
erscheinen, die von belorussischischen Denkmдlern der Architektur und
Geschichte berichten und interessante historische Wegstrecken
beschreiben (Die besten davon sind die Bьcher von W.Karatkewitsch,
A.Maldis und A. Grizkewitsch, von Trusow, M. Tkatschow und einige
andere), aber unsere auslдndische Gдste haben kaum etwas davon, auяerdem
erschienen die erwдhnten Bьcher in kleinen Auflagen und vor allem in
belorussischer sprache und- seltener- auf russisch. Bis heute gilt, daя,
wenn man unser Belarus ьberhauft kannte, so vorwiegend als ein Land
der Partisanen, jedoch wurde ьber seine tausendjдrige Geschichte in
Nachschlagewerken, in Bьchern und broschьren ьber belorussische Stдdte
praktisch nichts erwдhnt. Falls man doch irgendwelche Zeugnisse erwдhnte,
so waren sie in der Regel enstellt, und in ihnen ьberwogen die
Darstellingen alter ideologischen Dogmen...
Wenn man heute die Frage beantworten soll: ЂWo liegt denn euer
Belaruя?ї, muя man es zunдchst auf einer Landkarte zeigen: hier
ist es, zwischen Moskau und Warschau... Und in der Tat, diese beiden
Hauptstдdte gehцren zu Staaten, die mit der Geschichte unseres
Landes aufs engste verbunden sind. Wahrscheinlich wird man im nдchsten
Jahrhundert mehr von Belarus wissen, und unseren Gelehrten wird es
leichter fallen, auf viele Fragen eine Anwort zu geben, wo es heute
noch nicht einmal eine deutliche Anwort auf die Frage gibt."Warum
bezeichnet der Osten dieses Gebiet hartnäckig als ДWeißes Rußland"?
Bislang sind die Antworten darauf i Grunde poetischer Natur. ДWegen
der weiяen, aus feinem gebleichen Leinen gewebten Kleidung; wegen der
weiяen Stцrche, die sich so gern in kleinen Siedlungen niederlassen;
wegen der hellen, fast blonden Farbe der Haare ihrer Bewohner...
Legenden versuchen das eine zu beweisen, das Leben selbst - das
andere. Beispielsweise gibt es in unserem Volk den Glauben, daя weяe
Stцrche Glьck bringen, wenn sie es sich in einem Dorf oder einem Stдdchen
niederlassen .
Stцrche gab es viele, aber das Glьck war in diesem Gebiet ein
seltener Gast. Weil es voller Zwietracht war.
Welche Hekate ging einst bei uns, um Zwietracht zu sдhen?
Aber ungeachtet der endlosen Kriege, die ьber unser Land zogen und
alles vernichten, was man zu schaffen und bauen vermochte, hat Belarus
der Welt viele begabte Menschen gegeben.
Die erste auf slawischem Boden ist die heilige Efrosinja aus
Polozk, Fьrstin Predslawa im westlichen Leben, versagte sie sich der
Ehre und ging in ein Kloster, um Bьcher abzuschreiben, Schulen zu erцffnen,
Kirchen zu bauen. Bis heute steht in Polozk die Kirche aus dem XII.
Jahrhundert, wo sie fast ihr ganzes Leben verbrachte. Dieses Leben
wird nicht umsonst feierlich shitie gennant.
ДEinen zweiten Zlatoust (Goldmund) - nach dem berühmten Prediger
des Mittelalters - nannte man den Prediger und Schriftsteller des XII.
Jahrhunderts Kirill Turowskij. Die stadt Turow, aus der er von Geburt
stammte, hat ihren Namen von Дtur"(Auerochs), jenem müchtigen
Tier, der nicht seinesgleichen hat.
Der Dichter und Astrologe Simeon von Polozk wurde der Grьnder des
erstenSchultheaters in ruяland und, obwohl er fьr Ruяland ein Auslдnder
war, erlangte er mit seinem Wissen einen solchen Ruf, daя man ihm die
Unterrichtung der Zarenkinder anvertraute.
Franzysk Skaryna, sohn eines Kaufmannes aus Polozk, arzt und Begrьnder
des Buchdrьcks hat fьr immer seinen Platz in der europдischen
Kulturtradition, und sein Bildnis ziert bis heute die Wдnde der
Universitдt von Padua in Italien, wo er den Gelehrterang eines
doktors der medizinischen Wissenschaften erhielt.
Unser Land hatte zu verschiedenen Zeiten verschiedenen
Bezeichnungen, - einmal Krywija (von der Bezeichnung des stдrksten
Stammes der Kriwitschen), ein anderes Mal Polozker Land, dann Groяfьrstentum
Litauen-RuяlandяShemojtskoje, oder im engeren Sinne Litauen, dann
schliяlich Belaruя. Zwei Groяmдchte zogen unser Land stдndig in
ihre Einfluяsphдre,fьhrten wegen ihm Kriege. Jahrhundertelang
verlor es viele Kulturzentren.
Die
цstlichen und westlichen Gebiete von Belarus haben ungeachtet ihrer
ƒhnlichkeit trotzdem ihre eigenen Besonderheiten, sie sind auf ihre
ganz besondere Art zauberhaft. Jean Emanuel gilbert, ein Franzose,
Leiter der Medezinischen Akademie in Grodno, der viel durch Belarus
reiste, beschreibt seine westlichen Landschaften als eine einzige
Ebene, Дin der nur hin und wieder Erhebungen sichtbar sind, die höchsten
endeckt man Wilnja, Grodno und Nowogrudok; sie erheben sich nicht mehr
als 300 Fuя ьber der Erdoberflдche." Ein anderer Reisender,
A.Boschnjak, beschreibt das nord-östliche Belarus so: ДDie
Landschaft ist hier bergig oder-richtiger-hьgelig, teilweise aber
auch eben; die Hьgel sind nicht so hoch, sie bestehen meistens aus
Kies, sehr дhnlich dem am Meer, und stellenweise mit Lehm vermischt.
Diese Erhebungen werden gleichsam von Seen
verschiedener Grцяe getrennt, von denen die einen von steilen Ufern
aus Sand oder Stein umgeben sind, andere aber von Sьmpfen, die aus
verschiedenartigem Moos bestehen, das allmдhlich die Wasseroberflдche
ьberzieht. In diesen Sьmpfen sind ÷ffnungen zu erkennen, die
Fenster gennant werden und in die Menschen einbrechen und umkommen kцnnen,
wenn es ihnen nicht rechtzeitig gelingt, sich am moos festzuhalten,
das diese Fenster umrahmt."
Vor 170 Jahren, als diese Aufzeichnungen niedergeschrieben wurden,
gab es in Belarus viele solcher Orte. Im Polesje (Waldgebiet), der schцnsten
und urwьchsigsten Region in Belarus, war einmal Meer, wie einst der
berьhmte Geschichtsschreiber Herodot schrieb und wie von ausgrabungen
bezeugt wird. Noch im vorigen Jahrhundert wurdendort reste von
Schiffen aus Holz gefunden. Aber jetzt sind die Sьmpfe fast alle
ausgetrocknet,und nur im Frьhjahr kann man hin und wieder im Polesje
mit dem Boot die Straяe eines Dorfes entlangfahren fahren. Und dann
kann man in der Ferne am dorfrand wunderlichen Blumen gleichende
Kreuze mit bestickten Handtьcher hдngen und ьber denen der Frauen -
selbsgewebte Rцcke...
Heidnische
Gцtter, die einst recht gemьtlich in den hiesiegen Niederungen und Sьmpfen
wohnten, aber auch in den Herzen der Menschen, existieren hier lange
Zeit neben den neuen christlichen Heiligen und riten, die, Zweigen
eines Baumes gleich, aus den heidnischen erwuchsen. Heute sind aber
nur noch in Liedern, Wцrtern und Namen anzutrffen: die schone Gцttin
Ljalja und der Gott der Frцste Sjusja, die in der Erde lebenden Gnome
mit mokosch und die die Gцttin des Todes - Mara. Sie lebten hier, so
behaupten einige Gelehrte, sogar frьher als die wichtigsten
heidnischen Gцtter der slawen, Perun, Weles, Dashbog, aber sie
verschwanden aus der Kulturgeschischte, als das Christentum hierher
kam. Und doch hat sich das Heidentum erhalten. Auch heute noch gegen
die Bauern zu wundertдtigen Steinen, auf denen Kreuze dargestellt
sind, verbrennen gegen die Zwietracht Amulette, auch , um vor
Krankheiten verschont zu bleiben, und Дflüstern" über dem
Wasser, um den bцsen Blick zu bannen.
* * *
Aber heute ist unsere Hauptstadt Minsk Ч eine altehrwürdige
Stadt, die am Fluя Menka entstand und nach einem verheerenden Feuer
und der Zerstцrung der Stadt im Jahre 1067 an das Ufer des Flusses
Nemiga verlegt wurde, was in dem groяen Literaturdenkmal der
slawischen Vцlker (des russischen, belorussischen und ukrainischen),
dem ЂIgoriiedї Erwдhnung findet. Dort wird ьber die Nemiga
folgendermaяen geschrieben: ЂAn der Nemiga liegen die Kцpfe wie
Getreidegarben, mit Dreschflegeln geschlagen. Auf dem Dreschboden
liegt das Leben, wird die Seele vom Kцrper geblasen. An der Nemiga
sind die blutigen Ufer nicht vom Sumpf bedeckt, sondern von den
Gebeinen der russischen Sцhne.ї
Das alte Minsk ist schon das jetzige, das an die Nemiga verlegt
wurde. Hier ist es geblieben, auf dem heutigen Platz des 8. Mдrz.
Archдologen haben hier Straяen entdeckt, Reste von Hдusern, Dinge,
die in der Feuersbrunst verbrannt sind. Von dem alten Schloя, das
sich auf dem Platz befand, liefen Straяen in alle Richtungen, hier
wurden Mдrkte abgehalten, standen Kirchen, steinerne Gebдude. Der
italienische Reisende A. Guagnini schrieb ьber Minsk in der zweiten Hдlfte
des XVI. Jahrhunderts: ЂMinsk ist eine gewaltige Stadt, aus Holz
gebaut. Sein Schloя wurde aus Eiche gebaut. Seine Lage und Gestalt
sind fьr die Verteidigung gut geeignet; das Schloя ist von einem
tiefen Graben und einem Fluя umgeben, an dem sich einige Wдlle
befinden.ї Der Plan der oberen Stadt sah folgendermaяen aus: Oben,
auf einem Plateau, standen das Rathaus und Reihen von Geschдften, und
hier war auch der groяe Platz. Von Norden und Osten verliefen Straяen,
die, leicht abfallend, die Unterstadt (Nemiga, Marktplatz, Schloяbereich)
mit dem oberen Platz verbanden, der vom XVI. Jahrhundert an das neue
Zentrum von Minskwurde, einerfreien europдischen Stadt mit einem
entwickelten Handel, Ihn begьnstigte stark die Enwicklung des
Protestantismus, dem viele Adelsgeschlechter angehцrten. №brigens
war Minsk eines der Zentren des Kalvinismus. Nicht umsonst trug eine
der Straяen der Stadt den Namen Sborowaja (Kalvinistische Kirchen
wurden sbory genannt), heute ist das ein Teil der Uliza
Internazionalnaja von derUI. Respublikanskaja bis zur Engelsstraяe.In
der zweiten Hдlfte des XVII Jahrhunderts existierte von dreizehn orthodoxen Minsker Kirchen nur
noch die Peter- Pauls-Kirche...
Im XVII. Jahrhundert wurden das Dominikanerkloster und das unierte
Basilianerkloster des hl. Geistes gebaut (das seinerseits nach 1793
aufgelцst wurde). Hier wurden die Mцnche des orthodoxen
Peter-Pauls-Klosters untergebracht und spдter das Minsker Gymnasium,
das der berьhmte Komponist Stanislaw Manjuschka besuchte.
№ber Minsk kann man genauer in dem Buch des jetzigen Fьhrers
der Belarussischen Volksfront nachlesen, des Archдologen Senon
Pasnjak: ЂDas Echo alterzeitenї. Jedes erhaltene Gebдude wird
erforscht, aber man muя auch sagen, daя es ganz wenige solcher Gebдude
gibt. Vieles ist zerstört worden,Ч und nicht nur während des
Krieges...
Und doch ist Minsk in den letzten Jahrzehnten eine schцne, moderne
weltoffenene Stadt geworden. Es spielt eine groяe Rolle im
wirtschaftlichen und kulturellen Leben unseres Landes. Hier ist ein
Drittel der Industrieproduktion konzentriert, die Minsker Traktoren
und LKW, Motorrдder und Fahrrдder, Kьhlschrдnke und Armbanduhren
sind in der ganzen Welt bekannt.
Die Stadt besitzt ьber 200 Bibliotheken, ca. 15 Theater, eine
Philharmonie, 24 Museen und Ausstellungszentren, Dutzende Palдste und
Kulturhдuser, einen Zirkus. Den sportinteressierten Minskern stehen
mehr als 20 Stadien zur Verfьgung.Es gibt hier das Heimatmuseum, ein
Museum fьr altbelarussische Kultur, die Literaturmuseen der
belarussischen Nationaldichter Janka Kupala, Jakub Kolas und Maksim
Bagdanowitsch u. a.
Der Belarusse hat einen starken, gleichsam heidnischen Hang zur
Erde, auch heute ist er wie eine Pflanze, die mit allen ihren Wurzeln
in die Erde hineinwдchst. Und wenn auch das, was an der Oberflдche
wuchs, verbrannt ist, und wenn auch die Zweige des Lebensbaumes, den
jedes Volk hat, nur schwer zu finden sind, so sind doch die Wurzeln
lebendig geblieben. Deshalb lebt auch die belarussische Sprache, die
jahrhundertelang verboten war und in den letzten Jahren beinahe vollstдndig
vernichtet wurde.
Die auffallend groяe Zahl von Literaturmuseen zeugt von der Liebe
des Volkes zu seiner Literatur, von der Hochachtung, die es den Schцpfern
dieser Literatur entgegenbringt. Weltbekannt ist z. B. der
belarussrsche Schriftsteller Wassil Bykau - fast alle seine Werke sind
auch ins Deutsche ьbersetzt.
Die Hauptfiguren unserer Literatur waren immer und sind auch heute
Menschen vom Lande.
Das Volk bewahrt in seiner Erinnerung Gestalten seiner Helden, so
ungewцhnlich, geheimnisvoll-poetisch ihre Namen auch sein mцgen:
Wjarnidub, Switalnik (von dem belorussischen Wort switaz Ђwird hellї,
Ђes dдmmertї), Popelnik (von dem Wort popel ЂAscheї)... Der
letzte Name ist nicht zufдllig, ist unser Volk doch im wahrsten Sinne
nicht nur einmal wie ein Phцnix aus der Asche wiedererstanden...
Das kьnstlerische Volksgewerbe in Belarus ist auch
ein bewerkenswerter Teil der National-kultur. Bдume, Flachs,
Getreidearten... Es scheint, die Natur selbst hat den Bewohnern der
geographischen Mitte Europas diese Stoffe in die Hдnde gelegt. Vom
Mittelalter an sind die von Belorussen aus Holz geschnitzen Gesichter
und Skulpturen Heiliger bekannt. Oftmals vergoldet, schmьckten diese
Skulpturen die Altдre der grцяten slawischen Tempel. Dazu gehцren
auch die Tempel in Moskau. Auch heute sind unsere Drechsler, Dreher und Bцttcher wegen ihre Kunst
bekannt. Die Erzeugnisse aus Holz sind дsthetisch sehr ansprechend
und sind auch im Alltagsleben anzutreffen. Geschirr, Mцbel.
Spielzeuge, Kцfferchen sind eine Freude fьr das Auge.
Der Flachs ist fьr einen Belorussen eine fast
heilige Pflanze. Schцne, helle Ornamente, die von den Frauenhдnden
gewebt wurden, verschцnerten die Wohnstдtten und die Kleidung. Die
altertьmlichen Ornamente nahmen in sich die geometrische heidnische
Symbolik auf. Heute webt man gewцhnlich in das alte Muster einen
synthetischen Faden hinein. Die Kunststickerei ist in Belarus
traditionell. Sie schmьckte die Volkskleidung, die Handtьcher, die
Tischdecken. Verschiedene Arten der Stickerei und komplizierte
Ornamente zeugen von der groяen Meisterschaft der Weiяrussen.
Wunderschцne Vцgel, Kдstchen, exotische Blumen, Pferdchen,
Frauenschmuck, Kompositionen aus dem Volksleben - das alles wurde mit
Hilfe einfachen Strohs gemacht. Dieses einfache, aber sehr plastische
Material verwandelt sich in den Hдnden des Fachmanns in herrliche
Kunstwerke. Das Strohflechten war nur fьr unsere Nation
kennzeichnend. Auf der Grundlage der Kultur des Ornaments bildete sich
hier noch eine weitere Art der Arbeit mit dem Stroh heraus, die
Inkrustation.
Kцrbe verschiedener Form und Grцяe, Tabletts und
andere geflochtene Erzeugnisse sind aus dem Alltagsleben nicht
wegzudenken. Geflochtene Kunsterzeugnisse wurden aus verschiedenen
Naturmitteln geschaffen. Heute leben in Minsk viele Fachleute.
Meine Heimatstadt LIDA 
|